Heute fand ich in meiner Mailbox den neuen Uncollege-Newsletter und darin einen Link zu einem Artikel über die Ausreden, die Menschen erfinden, um ihr eigenes Versagen etwa im Arbeitsleben zu rechtfertigen. Kurz zusammengefasst schreibt der Autor darüber, dass er es falsch findet, dass in der Schule das Finden von guten Ausreden belohnt wird, weil das Fertigstellen von Arbeiten zu Deadlines eine Fähigkeit ist, die die so ausgebildeten Schüler später bitter vermissen werden. Im Arbeitsleben frage keiner nach dem Grund des Versagens, es zähle das Ergebnis, und Schüler sollten doch bitte Verantwortung für ihr Tun übernehmen und sich nicht vor der Erledigung ihrer Arbeiten drücken.
Ohnmacht der Wahl
Ich glaube, dass eine Schule, die darauf aufbaut, zu entscheiden, was ihre Schüler wann, wie, mit wem (usw.) zu lernen (zu erledigen) haben, sehr ungeeignet ist, ihren Schülern diesen Wert mitzugeben. In dieser Schule mit ihren für alle weitgehend gleichen Aufgaben wird es immer Schüler geben, die gewisse als zu einfach oder zu schwierig empfinden und diese nicht (oder nicht pünktlich) erledigen. Weil deren Erledigung aber Vorgabe von aussen ist, versuchen sie, das Problem zu lösen, indem sie sich Entschuldigungsgründe ausdenken. In meiner Oberstufenschule führte ein Mitschüler einst „Regelschmerzen“ als Entschuldigungsgrund für sein Fehlbleiben an – was sogar akzeptiert wurde, „aufgrund der Kreativität des Entschuldigungsgrundes“.
Die Macht des Neins
Verantwortung setzt für mich Macht voraus, Macht, diese Verantwortung zu übernehmen, aber auch, sie abzulehnen. Wenn ich als Lehrer einem Erstklässler die Aufgabe übertrage, ein bestimmtes Buch bis zum Ende des Monats zu lesen und danach eine Präsentation darüber zu halten und ihm die Möglichkeit vorenthalte, die Aufgabe abzulehnen, so hat dieser Erstklässler ein fundamentales Problem vor sich – vor allem, wenn die Erledigung der Aufgabe vielleicht noch zu schwer für ihn ist.
Eine Alternative besteht darin, den Schüler seine Verantwortungen selbst wählen zu lassen. Die Erledigung der Aufgaben, die er bewusst übernimmt, ist seine Verantwortung. Von aussen aufgetragene Aufgaben können abgewiesen werden, wenn der Schüler sich nicht sicher ist, ob er bei Übernahme dieser weiteren Aufgabe wirklich alle übernommenen Aufgaben verantwortungsvoll erfüllen kann.
Das Ausmass meiner Macht
Wird dies dazu führen, dass Schüler immer alle ihre übernommenen Aufgaben erfüllen? Vermutlich nicht. Vermutlich werden sie sich in vielen Fällen selbst über- oder unterschätzen. Aber die Umwelt kann rechtmässigerweise auf die Erfüllung dieser übernommenen Aufgaben pochen. Und sie selbst können dadurch erkennen, dass sie sich selbst übernommen oder unterschätzt haben. In einem geschützten Umfeld Schule können die Schüler dann reagieren, in dem sie ihre übernommene Verantwortung immer besser an ihre tatsächlichen Fähigkeiten anpassen. Und bei Versagen ehrlich, ohne Ausreden erfinden zu müssen, zugeben: „Ja, ich habs versemmelt.“
Niklas