Warum verdienen manche Menschen mehr als andere? Und wie könnte man zu einem dieser Menschen werden? Oder anders gefragt: was steht uns dabei im Weg?
Gestern Abend war ich auf einer Veranstaltung in Linz, wo es um innere Einstellungen zu Geld und Einkommen ging. Während ich der Vortragenden lauschte, schrieb ich mit – was sie sagte, und was mir selbst dazu einfällt, weil ich oft am besten nachdenken kann wenn „im Hintergrund“ jemand spricht. Dabei ist mir ein alter Gedanke wieder eingefallen, über den ich – meiner Erinnerung nach – noch nie hier geschrieben habe, obwohl ich es mir schon oft vorgenommen habe: die problematische Art und Weise, wie der Großteil von uns ihren eigenen wirtschaftlichen Wert für andere einschätzt und bemisst.
Gehalt = Schmerzensgeld
Die meisten Menschen in einem Anstellungs-Verhältnis werden nach Stunden bezahlt, nach dem Muster „Ich arbeite 30h/Woche für dich“. Dafür bekommen sie vom Arbeitgeber eine „Entschädigung“, die – wie das Wort bereits enthält – den „Schaden“ für den Arbeitnehmer aus dieser Beziehung kompensieren soll. Der Arbeitnehmer tut also etwas, was er ansonsten nicht (gerne) machen würde, und erhält dafür als Gegenleistung einen Geldwert. In diesem Denkmodell basiert die Summe, die der Arbeitnehmer erhält, auf den Unannehmlichkeiten, das der Arbeitnehmer durch die Zusammenarbeit erleidet, und stellt damit gewissermaßen ein „Schmerzensgeld“ dar. Je unangenehmer, desto mehr Schmerzensgeld steht dem Arbeitnehmer zu (40h derselben Arbeit bringen mehr als 20h dieser Arbeit).
Was passiert aber nun, wenn der Arbeitnehmer – wie es in meinem Fall passiert – sich entscheidet, sich selbstständig zu machen, mit einer Tätigkeit, die ihm selbst auch tatsächlich Freude bereitet? Es wird ihm möglicherweise schwer fallen, einen angemessenen Preis für seine Leistungen zu verlangen, weil er die Tätigkeit ja gerne verrichtet. Er hat keinen Schmerz, der als Schmerzensgeld zu entlohnen wäre – warum soll ihn also jemand dafür bezahlen, wenn er die Tätigkeit ohnehin liebt?
Wert = Nutzen
Das Problem im Ansatz Gehalt=Schmerzensgeld ist, dass sich das Geld das man als Gegenleistung bekommt am eigenen Schmerz orientiert. Fragt man sich stattdessen, welchen Nutzen die eigene Tätigkeit für jemand anderen haben kann, so verliert die Frage ob es für einen selbst anstrengend ist oder eine Freude an Bedeutung.
Wenn ich mir einen neuen Laptop kaufe, ist mir der Nutzen wichtig, den ich von dem neuen Laptop habe, nicht ob der Verkäufer im Verkaufsprozess gelitten hat oder es ihm eine Freude war. Aus einer empathischeren Perspektive würde ich es natürlich bevorzugen, wenn es auch dem anderen gut geht (siehe Bio-Zertifikate etc.), aber dies ändert an sich nicht viel am Nutzen, den ich durch den Laptop-Kauf für mich selbst habe.
Wertunterschied = Passgenauigkeit des Nutzens
Die Vortragende gestern warb für ein Programm über 6 Monate, das 7200€ kosten sollte, das sind 1200/Monat und Nutzer. Ohne mit der Wimper zu zucken, als wären dies völlig normale Beträge. Und tatsächlich gehe ich davon aus, dass es Menschen im Publikum geben wird, die das Programm in Anspruch nehmen werden, wenn sie vom Nutzen für sie selbst überzeugt worden sind. Dass der Aufwand für die Vortragende dabei (nach ihren Ausführungen) vernachlässigbar ist, zeigte für mich relativ klar auf, wie viel sinnvoller der Fokus auf den Nutzen für den Anderen ist als der Fokus auf die Ent-Schädigung des eigenen Einsatzes.
Eine im Vortrag gestellte Frage fand ich auch interessant: warum verdienen manche Menschen mehr als andere, obwohl sie nicht offensichtlich intelligenter oder fähiger sind als ich? Die Antwort wurde nicht verbal gegeben, aber durch das Tun der Vortragenden war eine mögliche sichtbar geworden: weil sie den Mut haben, einen Wert für ihr Angebot festzusetzen, der über dem der anderen liegt. Der Wert des eigenen Angebots wäre damit gewissermaßen frei wählbar.
Wer hat den Mut dazu, diese Freiheit auch praktisch zu nutzen?
Niklas