Was bringt (mir) mein Studium?

(Letztes Update von Niklas Baumgärtler am 26.5.2021)

Ich studiere aus Angst. Nicht etwa, um zu lernen, gehe ich zur Universität und lasse mich jedes Mal wieder auf ein erschreckend negatives Verhältnis von Zeitaufwand und Lerneffekt ein. Will ich etwas lernen, so frage ich Freunde (zunehmend auch Fremde), suche mir Informationen im Internet oder experimentiere einfach so lange, bis ich erreiche, was ich möchte. Nicht etwa, um Kontakte zu knüpfen, auch dazu brauche ich keine Universität besuchen, es reicht, auf der Strasse Menschen anzusprechen. Nein, ich studiere aus Angst, aus Angst und aus Unsicherheit, das, was ich liebe und der Welt geben will, ohne diesem Studium nur eingeschränkt tun zu dürfen: mit anderen Menschen zu lernen. Und diese Angst ist nicht unbegründet.

Que bono?

Auch wenn mittlerweile vor allem in den USA, wo Studiengebühren und die dazugehörigen Schulden Leben zerstören, die UnCollege-Bewegung an Fahrt aufnimmt, dauert es wohl noch eine Weile, bis diese Entwicklungen auch in Österreich Fuss fassen. UnCollege räumt mit den Vorurteilen auf, dass ein Studium allein Erfolg ermöglicht. Ein Studium alleine, so wird argumentiert, ist für sich nicht sehr viel wert – vor allem, wenn es bedeutet, jahre- oder gar jahrzehntelang die dafür aufgenommenen Schulden zurückzuzahlen. Kein Titel und kein (potentiell) höheres Gehalt rechtfertigt für mich diese schuldenbedingten Einschnitte der persönlichen Freiheit.

Während der finanzielle Aspekt in Österreich vergleichsweise vernachlässigbar ist, bleibt die Frage, was mir mein Pädagogik-Studium wirklich bringt, und bis auf die Berechtigung, in Schulen arbeiten zu können, ist dies sehr wenig. Bis auf die zwei, drei Lehrveranstaltungen, die von wirklich inspirierenden Menschen geleitet wurden (an dieser Stelle ein Danke!), durfte ich unzählige Stunden Professoren zuhören, um ihnen dann bei den dazugehörigen Prüfungen die von ihnen verlangten Antworten zu präsentieren – selbst wenn ich wusste, dass diese Antworten völliger Schwachsinn waren. Es gibt, für alle, die dies noch nicht begriffen haben sollten, nur eine Wahrheit. Verschiedene Perspektiven und ausserskriptliche (oft aktuellere) Informationsquellen sind etwas für Studenten – Professoren wissen es besser.

Es ist für mich immer wieder bemerkenswert, mit welcher Präzision Menschen es schaffen, ein halbes Jahr über offene Unterrichtsmethoden zu schwärmen, oder, wie heute in einer Lehrveranstaltung, über demokratische Schulführung, ohne von ihrem Monolog auch nur einige Momente abzuweichen. In einer offen gestalteten Lehrveranstaltung über Tomaten lerne ich mehr über offene Lernmethoden als in sechs Monaten monoton vorgetragener Theorie über das Thema. So wird nur der Eindruck erweckt, dass die offenen Lernmethoden nicht praxistauglich sind – wenn es selbst die so erhabenen Professoren nicht umsetzen können, wie ich als einfacher Student?

Und so wächst meine Unzufriedenheit über mein Studium, für die meine Professoren hier vermutlich wenig können, weil sie ebenso wie Lehrer an Schulen ihre Vorgaben zu Anwesenheit und Prüfungen haben. Es ist nicht ihre Schuld, auch wenn es einige Glanzlichter immer wieder schaffen, aus den Vorgaben Grosses zu schaffen.

Bacherlor of Education, bitte!

Aber ich halte es für absurd, davon auszugehen, dass ein Student, der drei Jahre lang Pädagogik an einer pädagogischen Hochschule studiert hat, besser mit Kindern umgehen kann als jemand, der drei Jahre ein Feld bestellt hat. Ein Studium an der PH hat einfach so unglaublich wenig mit den wirklichen Fähigkeiten im späteren Arbeitsbereich zu tun, dass ich es fast für ein Verbrechen halte, es als Voraussetzung für die Arbeit mit Kindern in Schulen einzufordern. Dieses Voraussetzen ist nämlich der einzige Grund, warum ich den Kram noch nicht hingeschmissen habe. Ich liebe Kinder und ihre kreativen Perspektiven auf die Welt, und mir ist bewusst, dass sie noch viel absurdere Systeme durchlaufen müssen als ich und über noch viel weniger Freiheiten verfügen. Kein Wunder, dass es Widerstand gibt.

Wie lange noch?

Ich halte es für bemerkenswert, dass es sich scheinbar um Allgemeinwissen handelt, dass der Schüler in der Schule ebenso wie der Student im Studium im Vergleich zum eingesetzten Aufwand kaum etwas davon mitnimmt, aber dieser Zustand ebenso von der Allgemeinheit als gegeben hingenommen wird. Während weltweit über finanzielle Engpässe in der Bildung gejammert wird (besonders stark gerade hier in Brasilien), werden Schüler und Studenten dazu verdonnert, den Grossteil ihrer Zeit auf für sie sinnfreie Weise zu verbringen.

Wenn es einem jeden möglich wäre, in Schulen mit Kindern zu arbeiten, Studium hin oder her, während Universitäten und Hochschulen spannende Weiterbildungskurse sowie Supervisionen anbieten würden, deren Besuch freiwillig ist, so könnte dies Unsummen einsparen. Studenten würden die Kurse besuchen, weil sie ihnen bei der Lösung ihrer realen Probleme helfen könnten, hätten also ein echtes Interesse an den Lehrveranstaltungen und würden nicht ihre Zeit und die der Professoren verplempern.

Das klingt für mich gerade so logisch, dass es vielleicht sogar eines Tages umgesetzt wird.

Die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt.

Niklas

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Niklas Baumgärtler

Niklas Baumgärtler interessiert sich für die Kunst der Begeisterung und macht gerne Wechsel- und Hebelwirkungen in Sozialen Systemen sicht- und erlebbar. Mehr über Niklas Baumgärtler...

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