Ich bin ein Andersgeborener, auf dem Weg zur Selbstwerdung.
Wir Andersgeborene legen in den meisten Fällen nicht den eigentlich vorgeschriebenen Weg zurück. Nicht unbedingt immer deshalb, weil er uns unmöglich erscheint. Noch viel öfter, weil er uns nicht wert erscheint, ihn zu gehen.
Ich hatte es versucht. Habe die HTBLA in Leonding für Informatik abgeschlossen wie es sich gehört, und ging dann studieren. Menschen und ihre Entwicklungsprozesse hatten mich immer schon fasziniert, daher erschien mir ein Soziologie-Studium nicht zu weit hergeholt.
Doch ich langweilte mich, war unterfordert, wollte etwas über Menschen lernen und weniger über Zahlen und Statistiken. Und so las ich mangels besserer Ideen einfach die halbe Bibliothek der Uni durch. Diese Bücher waren erheblich interessanter als mein Studium, vor allem jene über alternative Pädagogik. Eine Maria Montessori war da auch dabei, aber auch viele andere, die den meisten Lesern völlig unbekannt sein werden.
Den Ausschlag gab dann Paulo Freire, ein brasilianischer Pädagoge, den ich anhand seiner Bücher sehr zu schätzen lernte, weil er Bildung als transzendierende Kraft verstand, und sie sogar einsetzte, um einer Diktatur Paroli zu bieten. Das war mal ein Lehrer, der über den Tellerrand seiner Klasse hinausdachte!
Nach etwa zwei Jahren Soziologie-Studium wechselte ich auf die Pädagogische Hochschule und absolvierte das Volksschul-Lehrer-Studium. Als Lehrer würde ich angewandte Sozialpsychologie praktizieren können! Oder so dachte ich…
Das letzte Jahr des Lehramts-Studiums verbrachte ich dann in Curitiba, Brasilien, und reiste auch viel in Brasilien und Bolivien herum – eine interessante, lehrreiche Zeit, in der ich wohl mehr lernte als in allen bisherigen Schulen und Studiengängen zusammen.
Nach einigen ernüchternden Erfahrungen nach meiner Rückkehr aus Brasilien als Lehrer an einer Freien Schule in Oberösterreich und erheblich bessere Erfahrungen an einer anderen Freien Schule in Kiel, Nord-Deutschland, arbeitete ich an einigen Volksschulen in Oberösterreich und danach noch als Leiter einer Nachmittags-Betreungs-Einrichtung. Bis ich irgendwann anerkennen musste, dass ich offenbar nicht allzu sehr dazu geeignet bin, als Angestellter zu arbeiten.
Mir fehlte dafür noch die Eigenschaft, Anweisungen von Vorgesetzten umzusetzen obwohl ich genau in mir zu spüren glaubte, dass sie nicht richtig sind. Ich war (auch aufgrund meiner familiären Vorgeschichte) eher misstrauisch, ob Vorgesetzte wirklich wussten, was sie taten. Bisweilen war mein Misstrauen möglicherweise berechtigt, in anderen Fällen sah ich wohl nur einen Teil der Wahrheit.
Zwei Mal in meiner beruflichen Laufbahn als Angstellter war es mir erlaubt worden so zu arbeiten wie ich es für richtig hielt – das Jahr an der Freien Schule in Nord-Deutschland (dort lernte ich auch einen großartigen Mentor kennen, den mittlerweile leider verstorbenen Romeo Assirati), und die vier Jahre, die ich bei der Schülerhilfe als Nachhilfelehrer gearbeitet hatte, um mir mein Studium zu finanzieren. Die Chance, noch einmal ein solches Glück zu haben und Vorgesetzte zu finden, die ein solches Vertrauen in mich setzten, erschien mir gering.
Und noch etwas nagte an mir: Ich wollte nicht jemand sein, den man duldete, den man akzeptierte trotz seiner Anders-Artigkeit. Ich wollte jemand sein, den man genau dafür schätzte, den man dafür bezahlte, gerade weil er anders, besonders war.
Der Schritt in die Selbstständigkeit erschien mir ab ca. 2014 immer alternativloser, und im Mai 2018 war es dann soweit: Ich gründete mein Unternehmen.
Ich gab mir drei Jahre. Im ersten Jahr setzte ich mir das Ziel, mich überhaupt einmal mit der Idee anzufreunden, dass mir jemand Geld für etwas geben würde, was mir Freude machte. Im zweiten Jahr wollte ich im Durchschnitt auf das monatliche Einkommen kommen, das ich vorher im Monat gebraucht hatte. Und im dritten Jahr sollte es dann an der Zeit sein, auch Gewinne zu machen.
Nach drei Jahren gab es zwar Corona-bedingt einen kleinen Einbruch, aber ansonsten sieht es sehr gut aus. Auch wenn die Selbstständigkeit Arbeiten mit sich zieht, die mir nicht nur Freude bereiten (Steuer-Sachen z.B.), verbringe ich doch einen Großteil der Zeit, die ich als beruflich ansehe, mit Dingen, die mir Spaß machen oder zumindest interessant sind. Vor allem sind sie aber auch abwechslungsreich.
Ich habe seitdem mein erstes Buch veröffentlicht und dem FreiRaumWels geholfen, eine Crowdfunding-Kampagne erfolgreich umzusetzen. Als Übersetzer und Texter auf UpWork und als Schauspieler für Mein Körper gehört mir gearbeitet. Und nach ersten Versuchen in der Erwachsenen-Bildung als Fortbildner/Veranstalter für die Grünen PädagogInnen und als Tai Chi-Lehrer brachte ich im Rahmen der Frauen-Programmier-Treffs der Frauenstiftung Steyr sowie der Coding_academy im WIFI Linz anderen das Programmieren bei. Seit 2022 bin ich nun Trainer bei Coders.Bay, und recht zufrieden dort. Durfte dort sogar im ersten Halbjahr 2024 den Code.Fusion-Kurs leiten, indem Asylwerbern das Programmieren beigebracht wurde und der am Ende sogar mehrere Preise gewonnen hat (u.A. den DIGITALOS 2024).
Womöglich würde ich mehr Geld verdienen, wenn ich in irgendeiner Firma als Programmierer arbeiten würde, oder als Lehrer an einer Volksschule. Aber dafür bin ich wie es aussieht als Andersgeborener einfach nicht geschaffen.
Die Lehrer-Ausbildung war nicht völlig verkehrt für mich, denn im tiefsten Kern bin ich ein Lehrer, wenn auch gewissermaßen mehr ein archetypischer. Nur keiner, der allzu gut in ein Schul-System passt, indem es zu einem großen Teil auch darum geht, Bestehendes Weiterzuführen. Dazu bin ich viel zu neugierig auf die ganze, die niemals vollständige und immer nur vorläufige Wahrheit, die auch der beste Lehrplan der Welt niemals abdecken kann, weil er in sich abgeschlossen ist.
Deswegen gibt es diese Webseite. Sie ist die technische Basis, um meine Erfahrungen und mein Wissen anderen zur Verfügung zu stellen, die sich dafür interessieren – und auch anderen, deren Erfahrungen und deren Wissen ich respektiere, diesen Raum zur Verfügung zu stellen, wie z.B. meiner Gefährtin Elisabeth.
Nach 2,5 Jahren Arbeit am Politik-im-Blick-Projekt gemeinsam mit meinem Freund Ralf, das Gemeinderatsprotokolle besser durchsuchbar und auswertbar machen sollte, bin ich nun dabei, es abzugeben, weil am Ende doch (v.A. auch finanziell) weniger daraus geworden ist als ursprünglich erhofft.
Aktuell versuche ich gerade herauszufinden, ob genug österreichische Mittelschulen Interesse an einer Projektidee haben, die ich schon seit meinen Anfängen als Lehrer an österreichischen Volksschulen mit mir herumtrage und in verschiedensten Formen immer wieder auch selbst bereits eingesetzt habe. Das Ganze nennt sich als Projektname „Lernvorteil“ und ist hier zu finden. Die Anmeldephase dazu endet vorerst am 29.11.2024 – bin schon gespannt, was rauskommt.
Falls da am Ende zu wenig Interesse besteht, um den weiteren Aufwand zu rechtfertigen, wirds wohl noch stärker in Richtung Lehren/Beraten im Bereich der Erwachsenenbildung gehen, und noch mehr in verschiedene Institutionen hinein. Vielleicht komm ich dann auch wieder mehr zum Schreiben 🙂
Seit Anfang 2019 lebe ich mit meiner Freundin und ihren Kindern sowie diversen Haustieren ein buntes Patchwork-Familienleben in Pettenbach, Oberösterreich.
Ansonsten schreibe und lese ich viel, mache gerne Musik (v.A. Gitarre, Percussion und Gesang), Tai Chi, laufe immer wieder mal im Wald oder auf Bergen herum und genieße tiefe Gespräche mit Freunden, Bekannten und bisher Unbekannten, die ich im Laufe der Tage so treffe.
Da die Kinder nun langsam spürbar eigenständiger werden, freue ich mich auch wieder auf mehr Kontakt mit Freunden und Bekannten.
Zu meinem 40. Geburtstag (2029), wenn dann beide Kinder erwachsen sind, will ich dann ein „internationaleres“ Leben führen, mal da, mal dort leben, und mein soziales und Arbeits-Leben bis dahin darauf ausgerichtet haben, dass das dann auch für alle Beteiligten und Betroffenen gut geht. Bin schon sehr gespannt, wie das dann wird 🙂