Wir Österreicher sind international (ja, auch hier in Brasilien) anerkannt für unsere Fähigkeit zum „Sudern“, dem Aufregen über Zustände, ohne etwas zu ihrer Veränderung beizutragen – ein trauriger Ruf, wie ich finde. Es scheint sich dabei um allgemeine Akzeptanz zu handeln, dass es Menschen gibt, die für Veränderungen zuständig sind, meist Politiker genannt, und Menschen, die sich über die Ideen dieser Politiker beschweren, während sie alle paar Jahre diejenigen mit dem am wenigsten schlecht klingenden Programm auswählen, um ihn zum nächsten Objekt des Sudertums zu erheben.
Was dabei neben der zugegebenermassen oft zweifelhaften Qualitäten der Suderopfer (siehe als Paradebeispiel Grasser als laut eigener Aussage finanzunkundigen Finanzminister) häufig ignoriert wird, ist, dass wir Alternativen haben. Dass wir uns jedes Mal wieder für die sudernde Alternative entscheiden, ist nur teilweise die Schuld von Politikern. Die Verantwortung (und damit Macht) für Veränderungen auf Politiker auszulagern, führt unter anderem dazu, dass diese, wenn sie ihre Ideen auch umsetzen wollen, beispielsweise als Unterrichtsministerin die Schulen und Lehrer von einem Vorhaben unter-richten werden, also Macht-über ausüben. Durch unsere Reduzierung auf ein Volk von Suderern schicken wir die uns eigene Macht zur Veränderung ins Exil. Die werden das schon richten. Ja, nur tendiert zentralisierte Macht stets zu Unter-richten, nicht zum Bunterrichten.
Und wir schauen zu, wie sich Politiker abmühen, Schulen und ihre Lehrer zu unter-richten, wie sie sich verbessern sollen, während wir wissen, dass dies etwa genauso gut funktioniert wie der Unter-richt in der Schule, den Lehrer mit Kindern durchführen sollten. In einer Vertreter-Demokratie ist von Politikern jedoch alleine aufgrund der Beschaffenheit der Machtverhältnisse nichts Anderes als dieser Druck, diese Motivation, zu erwarten. Die Inspiration, das Bunterrichten, muss von uns selbst ausgehen.
Die Rückeroberung der Welt
Ghandi hat angeblich gesagt: „Sei die Veränderung, die du in der Welt sehen möchtest“. Wenn ich das Unter-richten in der Welt in Bunterrichten verwandeln möchte, muss ich selbst anfangen, bewusst zu bunterrichten. Vor allem jedoch muss ich den entscheidenden ersten Schritt wagen, muss ich anfangen. Die gleiche Trägheit, die diesen ersten Schritt so unglaublich schwer erscheinen lässt, hilft uns dann dabei, den zweiten und den dritten zu wagen, wenn wir bereits in Bewegung sind.
Dieser Blog wurde innerhalb der zwei Wochen seit seiner Entstehung laut Statistik etwa 150 Mal besucht (ein absurd hoher Wert), nicht nur von Österreich aus, sondern auch von Deutschland, der Schweiz, Brasilien und noch anderen Ländern. Es zeugt für mich von einem Bedürfnis nach Veränderung, nach neuen Ideen, nach Inspiration. Einem Bedürfnis jedoch nicht nur nach meiner, sondern auch nach eurer Version der Wahrheit, meine lieben Mit-Bunterrichter. Hört auf, über Unter-richter wie Politiker und so einige (Uni-)Professoren zu sudern, wenn ihr unzufrieden seid, und fangt an, selbst die Alternativen zu leben, die ihr in der Welt sehen wollt, und eure Erfahrungen damit zu veröffentlichen. In einer repräsentativen Demokratie, in einem Unter-richter-System, ist eure Stimme quantitativer Art. Aber eure Stimme, eure Wahrheit hat auch eine Qualität, und es ist diese Qualität, und nur diese Qualität, die echte Veränderung herbeiführen kann.
Es mag (vor allem anfangs) ungewohnt, unbequem sein, sich selbst auf den Weg zu machen. Das lange Warten auf den „Bus“, die Lösung von aussen, hat uns träge werden lassen. Aber mit jedem Stück des Weges, den wir, erst vorsichtig tastend, dann zunehmend sicherer, hinter uns bringen, wird die Lust zurückkommen, die Lust an der Bewegung, die Lust am Schaffen.
Wir erinnern uns: ja, dies ist unsere Wahrheit. Höre, Welt! Wir haben etwas zu sagen!
Und die Welt wird still, hört, lächelt:
„Wir haben euch schon erwartet.“
Niklas
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