Erster Erfahrungsbericht: Eine Schule mit integriertem Umsonstladen

(Letztes Update von Niklas Baumgärtler am 26.5.2021)

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Ich weiß nicht, wer all diese Dinge gebracht hat, aber offensichtlich funktioniert das Konzept.

In den letzten Wochen wurde er endlich „offiziell“ eröffnet, unser Umsonstladen, und bereits jetzt sammeln sich in den einst leeren Regalen viele Dinge, die jemand der Allgemeinheit zur Verfügung stellen wollte. Es handelt sich vor allem um Bücher und Kleidungsstücke, aber mittlerweile auch zwei Sofas und einem Teppich, die unseren Eingangsbereich immer mehr von einem leeren Raum in ein gemütliches Wohnzimmer verwandeln. Die Idee, einen Umsonstladen an einer Schule einzurichten, war mir schon lange im Kopf umhergegeistert, nun an unserer Schule fand ich auch die Offenheit im Team vor, sie umzusetzen.

Was ist ein Umsonstladen?

Für alle, die das Konzept nicht kennen, sei hier kurz die Funktionsweise erklärt: ein Umsonstladen ist ein Ort, an dem Menschen Dinge, die sie nicht mehr benötigen, hinschaffen können, um sie anderen zur Verfügung zu stellen. Es gibt beispielsweise in Darmstadt, Deutschland, auch eine riesige freie Bibliothek, die völlig ohne Beaufsichtigung und nach demselben Prinzip funktioniert. Was in den Umsonstladen kommt, wird Allgemeingut und steht demzufolge allen zur Verfügung. Wer etwas aus dem Umsonstladen benutzen möchte, nimmt es sich einfach. Alles, was es dazu benötigt, ist ein wenig Platz, im besten Fall einige Regale und der gute Wille, darauf zu vertrauen, dass Menschen ihn auch entsprechend nutzen. Ich habe das Konzept von der Webseite shareable.net, die immer wieder interessante Artikel zu verwandten Themen veröffentlicht. Mittlerweile gibt es bereits sehr viele dieser Umsonstläden in allen Regionen der Welt anzutreffen, aber in Schulen scheint er noch eine Rarität zu sein, obwohl die Vorteile immens sind.

Mögliche Vorteile eines Umsonstladens

Eines der tollen Dinge an einem Umsonstladen ist, dass er kaum Aufwand bedeutet. Hin und wieder muss man durchsehen, ob man nicht ein wenig mehr Ordnung reinbringen kann, und verhindern, dass er zur Mülldeponie wird, aber ansonsten muss er nicht ständig betreut werden. Zur Müllvermeidung gibt es bei uns ein sogenanntes „Müll-Regal“, in das wir Dinge, die vermutlich niemand brauchen kann, räumen, und nach einer gewissen Frist auch einfach entsorgen.

Ein Umsonstladen hat den Vorteil, dass viele Dinge, die man ansonsten ständig neu kaufen muss, frei bezogen werden können, falls sich jemand findet, der eines dieser Dinge zu verschenken hat. Er schafft eine Alternative zum Neukauf und erweitert demnach den Horizont des Möglichen.

Er kann helfen, die eigenen vier Wände massiv zu entrümpeln. Ich wohne in einem 12m²-Zimmer in einer Wohngemeinschaft, und würde ich all die Dinge, die ich nur hin und wieder brauche, dort lagern, würde ich kaum mehr freien Platz haben. Da ich einen Großteil der dieser Dinge mittlerweile in den Umsonstladen ausgelagert habe, habe ich in meinem Zimmer mittlerweile sogar Platz, um Tai-Chi-Chuan (eine Kampfkunst) zu üben. Ich habe weniger Dinge in meiner Wohnung, weniger Sorgen und damit den Kopf freier für andere Themen.

Viele Dinge aus dem Umsonstladen können als Anschauungsmaterial dienen, wenn es darum geht, zu erforschen, wie Dinge funktionieren. So haben wir beispielsweise ein Bügeleisen, das wir theoretisch (wenn eines unserer Kinder Interesse an der Funktionsweise hat) relativ bedenkenlos auseinanderbauen können, um das Innenleben zu erforschen. Wir können die Kleidungsstücke und Möbel, die leicht oder schwer beschädigt sind, als Rohmaterial für neue Kleidung oder Möbelstücke nutzen. Denkbar wäre beispielsweise auch, mit den elektrischen Geräten, die nicht mehr funktionieren, Repair-Cafes einzurichten.

Verbindungen schaffen

Vor allem aber schafft der Umsonstladen die Möglichkeit, die Abstraktion des sozialen Miteinanders zu überwinden, die beim Kauf von Produkten entsteht. Beim „normalen“ Kauf ist es relativ irrelevant, wer der Verkäufer und wer der Käufer ist, was zählt, ist das Produkt und das Geld, das für den Kauf bezahlt wird. Im Umsonstladen geht es verstärkt um die Bedürfnisse des Nehmenden und die Dankbarkeit gegenüber dem Gebenden – um die Verbindung zwischen Menschen.

Ein Umsonstladen macht keinen Unterscheid zwischen Rassen, Klassen, Herkunftsländern, Alter, Reichtum oder sonstigen Eigenschaften eines Menschen und schließt damit von sich aus niemanden aus – und ist damit potentiell auch für alle Menschen ein attraktiver Anziehungspunkt. Im Sinne der Öffnung unserer Schule nach außen kann er mithelfen, den Besuch unserer Schule auch durch externe Personen als wertvoll erlebbar zu machen.

Ich bin in meiner Funktion als Lernbegleiter nicht ständig in der Nähe des Umsonstladens und bekomme auch nicht alle Geschehnisse mit, aber mir ist bereits aufgefallen, dass manche der Dinge, die sich in ihm finden, bereits innerhalb der Schule genutzt werden oder auch von frohen Kindern mit nach Hause getragen werden. Ich bin guter Dinge, dass sich dieser Trend noch weiter fortsetzen wird, und möchte die Idee auch anderen Schulen ans Herz legen.

Vielleicht könnt ihr an dieser Stelle auch eure Erfahrungen damit mit anderen teilen?

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Niklas Baumgärtler

Niklas Baumgärtler interessiert sich für die Kunst der Begeisterung und macht gerne Wechsel- und Hebelwirkungen in Sozialen Systemen sicht- und erlebbar. Mehr über Niklas Baumgärtler...

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