Als ich in Holt’s Buch “Instead of Education: Ways to help people do things better” die Idee vorfand, doch Schulen auch für Nicht-Schüler zu öffnen, so dass diese auch beispielsweise den Werkraum für eigene Projekte nutzen könnten, war ich begeistert von der Idee. Als mir ein Kollege an der Uni erzählte, hier in Curitiba gäbe es unter dem Namen Comunidade Escolar ein ganzes Netzwerk dieser Schulen, war klar, dass ich mir das früher oder später einmal ansehen sollte.
Das Prinzip
Die teilnehmenden Schulen öffnen an unterrichtsfreien Tagen (Wochenenden und Feiertagen) ihre Tore für die Gemeinschaft. Die Besucher können etwa die Turnhallen benutzen, Musikräume, eben das Inventar der Schule. Es ist keine Anmeldung nötig. An der Schule, die ich besuchte, ist beispielsweise jeden Samstag und Sonntag ab 9:00 morgens bis 17:00 eine Nutzung für alle offen. Es ist, ähnlich des Free Skool-Konzeptes, möglich, Kurse und Workshops anzubieten und über die Schule auszuschreiben. Während die Kommunikation über die Webseite sicherlich verbesserungswürdig ist, wird die offene Schule vor allen an Samstagen (laut Bibliothekarin, mit der ich gesprochen habe) sehr gut besucht, von Kindern, aber auch Jugendlichen und Erwachsenen. Es gibt etwa seit dem Beginn des Projektes einen Karate-Kurs, der von einem Freiwilligen kostenlos jeden Samstag angeboten wird, Tanzkurse, Fussball und viele andere Angebote.
Baustellen
Eine grosse Schwierigkeit ist – wieder einmal – die finanzielle Komponente. Eine Zeit lang wurde versucht, etwa Unibedienstete hereinzuholen, so wurden von den Universitäten etwa (sehr gut besuchte) Computerkurse angeboten, allerdings wurden die mit der Zeit zu teuer für die Schulleitung und wieder abgestellt.
Aber nicht nur die externen Kurse waren zu teuer, auch die Bezahlung der an den Wochenenden anwesenden Lehrkräfte wurde bald als Kostenfaktor kritisiert. Versuche, den Ablauf nur über Freiwillige zu unterhalten, erwiesen sich als nicht sehr verlässlich, aber Lehrkräfte kamen durch die Wochenendzuschläge zu teuer.
Zu guter Letzt wurden auch die Strom- und Heizungskosten kritisiert. Angeblich wird das Programm nun zunehmend ausgehungert, um das Geld einsparen zu können. Konkret bedeutet dies, dass die Öffnungszeiten so angepasst werden, dass zu den Hauptzeiten (Schulferien etwa) die Schulen geschlossen bleiben und an anderen, nicht an die Bedürfnisse der Umgebung angepassten Zeiten geöffnet wird. Die Besucher bleiben aus und es kann argumentiert werden, dass der Bedarf nicht mehr vorhanden ist – und schliessen. Angeblich hat etwa ein Drittel dieser Schulen dadurch bereits wieder an Wochenenden geschlossen.
Chancen
Ich finde die Einrichtung der Comunidade Escolar eine sehr gute und wichtige Errungenschaft, um die es schade wäre. Vor allem aber würde eine Öffnung der Schule für die allgemeine Öffentlichkeit viele Möglichkeiten für das Bildungsangebot einer Schule bieten. Eine Schule, in der ein jeder (auch unter der Unterrichtszeit!) alternative Angebote bereitstellen kann und in der die Lernenden diese Angebote auch unter der Unterrichtszeit nutzen können (beziehungsweise auch bestimmte Inhalte nachfragen können) würde eine Dezentralisierung des Unterrichts unterstützen und die Lehrkraft befreien, um den Lernern bei konkreten Schwierigkeiten helfen zu können.
So könnte beispielsweise ein Hobbymusiker mit einigen interessierten Lernern an ihrer Band feilen während ein Programmierer Fragen der Lerner zu Java beantwortet, eine Yoga-Lehrerin mit zwei Schülerinnen eine Brücke übt und zwei Schüler polnischer Muttersprache einem Geschäftsmann polnisch beibringen, das er für seine nächste Geschäftsreise braucht. Die Liste an Möglichkeiten liesse sich fast endlos fortsetzen. Man beachte auch die Möglichkeit, Kinder Lehrer und Erwachsene Schüler sein zu lassen, was vor allem bei Kindern mit Migrationshintergrund zu einer Anerkennung der Muttersprache beitragen könnte, die einem starren Regelunterricht so schwer zu erreichen wäre.
Bei einer Öffnung unter der Schulzeit fällt das Argument der vermehrten Strom- und Heizkosten grossteils weg und die Lehrkräfte sind so oder so in der Schule anwesend – können also die Koordinierung der Aktivitäten übersehen.
Mir ist klar, dass eine Öffnung der Schule neue Möglichkeiten eröffnen kann, aber auch neue Fragen aufwirft: was ist etwa mit der Sicherheit der Kinder? Aufsichtspflicht? Aber ich denke, es ist ein interessanter Ansatz, der viel Potential bietet. Es gibt für mich keinen Grund, warum ein ähnliches Konzept nicht auch in vielen österreichischen Schulen funktionieren sollte.
In Curitiba existieren diese offenen Schulen eher neben dem Regelunterricht und berühren ihn kaum, eine vertane Chance, wie ich finde. Welche Synergieeffekte entstehen bei so einer Öffnung nach aussen? Welche Herausforderungen? Curitiba war mutig, diesen ersten Schritt der Öffnung ausserhalb der Schulzeit zu gehen. Welche Schule wird den Mut haben, als erste den nächsten Schritt zu wagen?
Niklas