Eine permanente Bankenkrise

(Letztes Update von Niklas Baumgärtler am 26.5.2021)

Gestern kam ich endlich dazu, einen mir von einem brasilianischen Freund empfohlene Dokumentation, Zeitgeist, anzusehen, und neben einigen Behauptungen, die der Film aufstellt und etwas haarsträubend klingen, wird auch das Bankensystem angesprochen und seine systemimmanenten Problematiken thematisiert. Wer sich nicht die Zeit nehmen möchte, die ganze Doku durchzusehen, dem sei hier eine kurze Zusammenfassung ermöglicht. Eine Warnung am Anfang: alles, was ich hier schreibe, klingt für mich zwar logisch, es ersetzt jedoch nicht die eigene Recherche, die eigene Meinungsbildung eines jeden Einzelnen. Dies gesagt, lasst uns beginnen.

Eine Bank – simpel

Nehmen wir eine durchschnittliche Bank an, nennen wir sie DieBank. Angenommen, DieBank verleiht 1000 Euro an mich, um die Kosten für diesen Blog bestreiten zu können, zur leichteren Berechnung mit 10% Zinsen. Nach einem Jahr beträgt mein Schuldenstand bei der DieBank also bereits 1100 Euro. Ich muss also durch meine Geschreibse hier diese 100 Euro Gewinn machen. Aber woher kommen diese 100 Euro Gewinn? Sie bedeuten einen Verlust von 100 Euro bei einem oder mehreren anderen Menschen zusammen. Mein Gewinn ist der Verlust anderer. Ich zahle also meine erborgten 1000 Euro samt Zinsen zurück an die DieBank. Der Gewinn der DieBank ist der Verlust anderer, und mir bleibt nichts. Bei einem Zinssatz von 10% muss mein Gewinn also höher als 10% sein, um einen tatsächlichen Gewinn auszumachen – muss der Verlust der anderen auch entsprechend höher sein.

Aber woher nimmt die DieBank an erster Stelle ihr Geld, das sie mir als Unternehmer borgt? Zum einen von ihren Anlegern, die ihr Geld in besagter Bank zu einem reduzierten Zinssatz, sagen wir 5%, anlegen. Nach einem Jahr zahlt die DieBank 1050 Euro an den Anleger zurück, während sie das Geld, das ihr gar nicht gehört, an andere, die es brauchen, für 10% verliehen hat, dafür 1100 Euro bekommen und damit nach Abzug der 1050 Euro noch 50 Euro Gewinn verbuchen kann. Bis hierher erscheint die Sache noch relativ simpel, und auch fair: mit diesem Gewinn können der Betrieb der Bankomaten und die Gehälter der Bankmitarbeiter bestritten werden, und mit Sicherheit werden diese auch einiges kosten.

Eine Bank – komplexer

Interessant wird es, wenn wir uns dieses simple Modell in der Masse ansehen, mit Millionen Anlegern und Ausborgenden dieses Geldes. Es lässt sich dann statistisch relativ sicher vorhersagen, dass die Anleger nicht alle zum selben Zeitpunkt ihr Geld zurück haben wollen, weil sie ja die Vorteile ihrer Zinsen für sich beanspruchen wollen. Daraus errechnet sich ein gewisser Prozentsatz des Geldes, sagen wir 20%, der jederzeit in einer Bank verfügbar zu sein hat, um eventuelle Abhebungen sicherstellen zu können. Der Rest des Geldes, in diesem Falle 80%, kann dann bedenkenlos wieder weiterverliehen werden, um durch den höheren Zinssatz weitere Gewinne zu kassieren. Die Leihenden müssen es ja zurückzahlen, und wenn nicht, haben sie Sicherheiten zu bieten, die auch einen Wert darstellen. Siehe Immobilienkrise.

Selbst sollte es wider Erwarten zu einem panikartigen Ansturm auf die Banken kommen und alle ihr Geld gleichzeitig abheben wollen, lässt sich, da es sich heutzutage im Grossteil der Fälle um die reine Verschiebung von Nummern handelt, leicht bei einer anderen Bank oder gar der Zentralbank das nötige ungebundene Geld gegen entsprechende Gegenforderungen anfragen. Laut dem Film handelt es sich um 97% des Geldes in den USA, das keine Entsprechung in einem reellen Geldschein besitzt. Würde die gesamte Bevölkerung gleichzeitig die Auszahlung in reellem Geld wünschen, würde schnell klar werden, dass es schlicht zu wenig Geld gibt. Bis in die 30er-Jahre war in Österreich der Goldstandard üblich – eine jede Geldeinheit hatte irgendwo ihren realen Gegenwert in Gold zu haben. Heute müssen nicht einmal die entsprechenden Geldscheine existieren.

Die Zentralbank – die Magierin mit dem Erscheine-Trick

Heutzutage kann die Zentralbank Geld drucken, ohne seinen Gegenwert in reellen Gütern wie etwa haben zu müssen. Wenn etwa eine Bank oder eine Regierung Geld benötigt, kann die Zentralbank dieses Geld gegen eine Forderung über den entsprechenden Betrag bereitstellen. Eine Forderung, wohlgemerkt, mit Zinsen. Hier nähern wir uns einer Absurdität. Die Zentralbank ist als einzige berechtigt, Geld in Umlauf zu bringen, ist damit die einzige Quelle von neuem Geld. Wenn die Zentralbank nun also insgesamt bereits 1.000.000 Euro in Umlauf gebracht hat und dabei wieder unsere 10% Zinsen verlangt, woher kommen die 100.000 Euro für die zurückzuzahlenden Zinsen? Über einige Zwischenstationen natürlich wieder von der Zentralbank, die dafür wieder Zinsen nimmt, und so weiter.

Wenn eine jede Zinszurückzahlung an die Nationalbank demnach neue Zinsen nach sich zieht, befinden wir uns in einem System, in dem stetiges Wachstum unumgänglich ist. Lange Zeit, als es noch durchaus ein Ziel sein mochte, andere Staaten aus nationalistischen Gründen wirtschaftlich in die Knie zu zwingen, mag es sinnvoll erschienen sein, diese Staaten zum Verlierer in unserem Wachstumsspiel zu machen. Mit der fortschreitenden Vernetzung der Welt, dem Aufkommen eines weltbürgerlichen Bewusstseins für die durch diesen Konkurrenzkampf erzeugten weltweiten Leiden, stellt sich jedoch die Frage, ob wir diese Mechanismen, die zwingend konkurrierendes Verhalten nach sich ziehen, in dieser Form aufrechterhalten wollen.

Immer das alte Spiel

Ironischerweise finden sich in vielen alten Schriften die Warnung vor dem Zins, sowohl in der christlichen Tradition als auch etwa im Koran wird ausdrücklich darauf hingewiesen. In diesem System muss es früher oder später zu Krisen kommen, muss es dazu kommen, dass einzelne Gläubiger nicht zurückzahlen können, mit den entsprechenden, oft blutigen Konflikten, Enteignungen bis hin zu Kriegen. Alte Schulden durch das Aufnehmen neuer Kredite zu tilgen oder zu verstecken, wie es in Österreich gerne üblich ist, verlagert das Problem nur in eine ungewisse Zukunft, verschlimmert die Auswirkungen für unsere Kinder und Kindeskinder nur noch. Soll es ihre einzige Hoffnung sein, selber zu sterben, bevor die Auswirkungen auch bei uns immer mehr zu spüren sein werden?

Ich habe keine Lösungen für euch, und ich sehe auch keine der üblichen Kanäle (Politik, Wirtschaft, selbsternannte Experten mit ihren schönen Doktortiteln der Wirtschaft, …) auch nur an Lösungen arbeiten. Vermutlich wird es auch wie immer einige geben, die mit der derzeitigen „Lösung“ ganz gut leben. Wir sind relativ gut darin, die Auswirkungen, die weltweit bereits zu spüren sind, auszublenden, solange es uns selbst gut geht. Die Abholzung der Wälder, Vergiftung der Meere, der Wasserkrieg in Cochabama, Bolivien, die Aufstände in Brasilien letztens. Die Massen an Menschen, die an unsere Türen klopfen und uns um Hilfe bitten und die wir laut diversen Parteien am besten wieder dorthin zurückschicken sollen, wo sie hingehören. Dort, wo wir sie in einem unmenschlichen Konkurrenzkampf, gespeist durch die Notwendigkeit der Rückzahlung von Zinsen, ihrer Lebensgrundlage beraubt haben.

Die Entwicklungshilfe, die wir diesen Ländern dann heuchlerisch zu leisten vorgeben, über die Weltbank etwa, um etwa Infrastrukturprojekte (im Idealfall über unsere Unternehmen) umzusetzen, wird auch über Kredit abgewickelt. Es ist immer noch eine Weltbank, und eine Bank will Zinsen. Bösartig interpretiert ist somit Krieg und Vernichtung aus Sicht einer Bank etwas durchaus Positives, weil sie für den Wiederaufbau Geld leihen und die entsprechenden Profite einheischen kann. Ein bekanntes Beispiel ist der von Grossbritannien angestachelte Krieg in Paraguay im 19. jahrhundert. Krieg und Zerstörung bringt Aufträge, bringt Zinsen.

Wenn wir in diesem sinnbefreiten Krieg die Welt zugrunde gehen lassen, ist es wirklich noch eine Überraschung, dass halbwegs vernünftige Menschen (was ihnen ja auch oft agesprochen wird, „den Tschutschen und Türken da“) dorthin zu fliehen versuchen, wo diese Zerstörung noch nicht Fuss gefasst hat. Dass sie, die die Auswirkungen unseres Lebensstils am eigenen Leibe erfahren haben, so ihre Schwierigkeiten haben, sich 1:1 an unsere Lebensweise anzupassen, selbst zum Mittäter zu werden?

Es steckt in der Logik, der Mathematik dieses Systems, dass es die Realwirtschaft in Geiselhaft belässt, immer wieder einige Spieler ihren Gewinn belässt, weil es das Gesetz der grossen Zahl kennt. Hin und wieder wird es überlistet, wird es ausgenommen von einigen wenigen sich glücklich fühlenden Spielern, im Notfall eben auf Kosten der Masse wiederbelebt (siehe Bankenrettung). Auf die eine oder andere Weise: Das Haus – die Bank – gewinnt in diesem Spiel immer. Diesem langweiligen Spiel, dass nur Verlierer kennt, das wir die letzten Jahrhunderte gespielt haben und uns keine rechte Freude mehr machen will.

Warum spielen wir es dann immer noch?

Niklas

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Niklas Baumgärtler

Niklas Baumgärtler interessiert sich für die Kunst der Begeisterung und macht gerne Wechsel- und Hebelwirkungen in Sozialen Systemen sicht- und erlebbar. Mehr über Niklas Baumgärtler...

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