Ein Nachruf an eine geliebte Arbeit

(Letztes Update von Niklas Baumgärtler am 26.5.2021)

Manche von euch werden euch vielleicht gewundert haben, warum ich in den letzten Wochen hier nichts mehr gepostet habe beziehungsweise warum einige Artikel plötzlich nicht mehr verfügbar waren. Nun, dies hatte mit einem schwerwiegenden Konflikt in meiner Arbeit zu tun. Die besagten Artikel sind nun wieder verfügbar, aber dies wird der letzte Artikel, der etwas mit besagter Schule zu tun haben wird. Aber eines nach dem Anderen.

Am Boden der Tatsachen angekommen…

Als ich vor etwa zwei Monaten meine Arbeit an der Schule begann, war ich voller Motivation – ich würde meine Vorstellungen von Bildung tatsächlich in einer richtigen Schule umsetzen können! Die Dinge, die ich in der Nachhilfe und in diversen anderen Institutionen und Situationen bereits teilweise ausprobieren konnte und mit denen ich bereits recht durchgängig gute Erfolge erzielen konnte, würde ich nun in grösserem Stil auch im Schulbetrieb umsetzen können. Und die Erfolge, die ich hier verbuchen konnte, wenn es denn Erfolge wurden, würde ich über meinen Blog und in Gesprächen mit meinen Kollegen an der PH auch in andere Schulen bringen können, ebenso wie sie ihre eigenen Erfolge mit uns austauschen konnten. Gemeinsam würden wir unseren Beitrag leisten, das österreichische Bildungssystem ein Stück weit in eine gute Zukunft zu bringen. Oder so glaubte ich.

Tatsächlich waren die Umstände, als ich anfing, nicht unbedingt dem entsprechend, was ich etwa in der Nachhilfe vorgefunden hatte, und so war es oft nötig, gehörig zu improvisieren, um überhaupt erst die Basis bereitstellen zu können, in der sich meine hehren Bildungsideen überhaupt erst verwirklichen liessen. Als ich dann zwei Kolleginnen zur Seite bekam, schien die Basis tatsächlich relativ gesichert, und wir würden nun dazu übergehen können, darauf aufbauend so einiges auf die Beine zu stellen. Ich hatte meine Wertvorstellungen, die sich mit jenen meiner Kolleginnen sehr gut zu decken schienen, und bewertet nach diesen Vorstellungen hatten wir in wenigen Wochen enorm viel erreicht.

Was ich leider wohl zu wenig bedacht hatte, war, dass es durchaus Menschen gibt, die nicht nur andere Wertvorstellungen haben, sondern diese Wertvorstellungen auch als einzige, absolute Autorität ansehen. Und je reibungsloser der Umgang mit den Schülern selbst ablief, desto mehr verstärkte sich mein Konflikt über Werte mit dem Organisationsteam. Was für mich ein gutes, respektvolles Miteinander mit den Schülern war, war aus anderer Perspektive offensichtlich ein Chaos, in dem Respekt völlig am Fehlen war. Aber das soll uns hier nicht weiter beschäftigen.

Wenn der Rechtsanwalt ausgepackt wird

Mit der Zeit musste ich feststellen, dass eine Grundkomponente eines guten Zusammenlebens, und zwar eine offene Kommunikation mit allen Beteiligten, hier offensichtlich unerwünscht war. Es fing an mit meinem Vorhaben, die Eltern regelmässig über pädagogische Entscheidungen zu informieren, um Vertrauen zu schaffen, und es eskalierte völlig, als es um diesen Blog hier ging. Es sei unverantwortlich, schulisches Geschehen in irgendeiner Form ins Internet zu stellen, weil es da ein Leichtes wäre, aus diesen Informationen bösartige Gerüchte entstehen zu lassen. Auf eine sachliche Diskussion wurde gar nicht eingegangen, ich hätte gefälligst nichts mehr darüber zu schreiben oder könnte gehen. Dies war der Punkt, an dem ich, um die Sache noch einmal vernünftig bereden zu können (welche Passagen wären unpassend, und warum?) einige Artikel auf unsichtbar gestellt hatte, weswegen sie nicht mehr zu finden waren.

Im folgenden Gespräch wollte ich eigentlich bereits aus eigenem Entschluss das Handtuch werfen, weil es mir, wie eingangs erwähnt, wichtig war, die Erfahrungen, die hier gemacht wurden, mit anderen zu teilen, auf das alle etwas davon haben – ähnlich einem Open-Source-Konzept in der Informatik, und weil ich immer noch der Meinung bin, dass das beste Mittel, um bösartige Gerüchte zu vermeiden, ein mehr, nicht ein weniger an Information ist. Als ich nach einer Denkminute zurückkam, wurde mir angeboten, ich könne ja meine Artikel jetzt schreiben, aber sie erst im Sommer gesammelt als Buch veröffentlichen, und mein Schreibstil an sich gelobt. In meinem Halbdelirium (am Vortag war Lesenacht und ich hatte kaum geschlafen) unterschrieb ich voller Euphorie eine Art Vertrag, dass ich nichts mehr über die Schule in den Blog stellen dürfte, mit Ausnahme eines letzten Artikels, um zu erklären, warum ich nichts mehr schreiben würde.

Erst im Nachhinein wurde mir dann klar, wie dämlich das gewesen war. Ich hatte nicht einmal eine Kopie dieses ominösen Zettels. Wie mir ein Bekannter eröffnete, war es vermutlich die ganze Zeit der Plan gewesen, mich dazu zu bringen, diesen Zettel zu unterschreiben, warum sonst hätten sie einen angeblich per Anwalt geprüften Zettel schon vorgedruckt bei sich gehabt? Und natürlich war davon auszugehen, dass das besagte Buch ebenso zensiert werden würde wie mein Blog. Sollte ich also weiterarbeiten, ohne darüber schreiben zu dürfen, obwohl es mir ein Herzensanliegen war? Nein, diese Unterschrift hatte eine Weiterarbeit ausgeschlossen, wenn es nicht möglich war, sie irgendwie zu revidieren – etwas, von dem ich nicht ausging, dass es möglich sein würde.

Ein Ende mit Schrecken… und ein Neuanfang

Nach einem wohlmeinenden Versuch einiger netter Menschen, die Sache doch noch irgendwie zu retten, wurde ich dann vor einigen Tagen gekündigt. Auch wenn es mir dann doch mehr weh tut, als ich gerne zugeben würde, weil mir nicht nur einige Eltern, sondern vor allem natürlich die Kinder ans Herz gewachsen sind, ist es wohl besser so, weil ich mich sonst vielleicht noch Monate abgemüht hätte, nach meinen eigenen Wertvorstellungen zu arbeiten, die so gar nicht mit jenen der Leitung zusammenpassen zu scheinen. So konnte ich mich noch ein wenig amüsieren (oder sollte ich besser traurig sein?), als mir eine Mutter erzählte, wie meine Kündigung begründet wurde, und mich nun nach einem neuen Ort umsehen, an den ich tatsächlich nach meinen Werten etwas Gutes bewirken kann.

Es bleiben mir einige gute, einige nicht so gute Erinnerungen, vor allem aber die Sicherheit, dass das, was ich mit meiner Arbeit erreichen will, nicht nur möglich ist, sondern auch nicht nur für viele Kinder, sondern auch für viele Eltern als wertvoll empfunden wurde. Zumindest nach meinen eigenen Wertmassstäben beurteilt fiel dem Organisationsteam wohl tatsächlich kein nicht ziemlich aus der Luft gegriffener Grund ein, mich zu kündigen, was ja irgendwie auch beruhigend ist. Was bleibt, ist den Ort und die Zeit zu finden, an dem diese Arbeit tatsächlich auch von allen Beteiligten als wertvoll geschätzt wird, Menschen zu finden, die diese Vision mit mir teilen und sie gemeinsam in dieser Welt realisieren möchten.

Ich war die letzten Tage gesundheitlich ziemlich angeschlagen, vermutlich ein Ausdruck des ganzen Drucks in den letzten Wochen, den ich nun auf diese Weise endlich hinaus lassen kann. Ich weiss nicht, ob das für viele von euch Sinn macht, aber manchmal sind diese Phasen, in denen man ordentlich fertig ist, nötig, um dann wieder mit voller Kraft Neues zu beginnen. Ich hoffe, dass ich in den nächsten Tagen und Wochen dann tatsächlich endlich meinen Bachelor abschliessen und zudem auch recht bald wieder eine Arbeit finden kann, bei der ich das Gefühl habe, dass sie für mich und für andere Sinn macht.

Falls ihr einen guten Tipp für mich habt (ab März gerne auch im Ausland, spreche ja neben Deutsch und Englisch auch flüssig Portugiesisch), bitte ich euch, ihn mir mitzuteilen: ich bin über jede Hilfe diesbezüglich sehr dankbar.

So, hoffentlich auf bald, euer
Niklas

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Niklas Baumgärtler

Niklas Baumgärtler interessiert sich für die Kunst der Begeisterung und macht gerne Wechsel- und Hebelwirkungen in Sozialen Systemen sicht- und erlebbar. Mehr über Niklas Baumgärtler...

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