Vor einigen Monaten stieß ich zum ersten Mal über einen TEDxTalk auf einen Vortragenden namens Simon Sinek, der über ein sehr simples, aber doch geniales Konzept sprach. Mittlerweile finden sich im Internet zahlreiche Blog-Beiträge und Interpretationen darüber. Auch die bunterrichten-Plattform orientiert sich in ihrer Gestaltung an seinem „Goldenen Kreis“. Aber was meint er damit überhaupt? Und wie kann uns sein Goldener Kreis helfen, a) passendere Mitarbeiter für unser Team zu finden und b) mit den vorhandenen besser zusammenzuarbeiten?
Der „Goldene Kreis“
Die Idee ist einfach, aber sehr mächtig: Unsere Kommunikation lässt sich in drei Sinn-Stufen einteilen, und zwar danach, welche der drei Fragen Was, Wie oder Warum sie zu beantworten sucht.
Er beschreibt unsere Angewohnheit, in den meisten Fällen über das Was zu sprechen, bevor wir über das Wie (wenn überhaupt) endlich zum Warum kommen, und rät, die Reihenfolge umzudrehen: Zuerst das Warum zu klären, dann das Wie, dann erst das Was.
Vor allem relevant wird dieser Rat dort, wo das Gegenüber nur eine begrenzte Aufmerksamkeitsspanne zur Verfügung stellt, etwa wenn man jemanden neu kennenlernt, oder in der Werbung. Am Beispiel von dieser Web-Plattform:
Warum: Menschen helfen aufzublühen. Ich glaube daran, dass in jedem Menschen ein Samenkorn steckt, das – wenn die Umgebung mitspielt – aufblühen und dieser Umwelt große Freude bereiten kann.
Dem aufmerksamen Leser wird aufgefallen sein, dass dies im Header bzw. in den ersten 2-3 Sätzen auf der Startseite zu finden ist – die Chance ist damit groß, dem Erstbesucher in den ersten 5-10 Sekunden auf diese Information hinzuweisen.
Wie: Meine bisherige Erfahrung zeigt mir, dass es eine der effektivsten Methoden, dieses Samenkern zum Aufblühen zu bringen, ist, dem Menschen zu vermitteln, als der gesehen zu werden, der er ist. Dazu braucht es etwas, das ich für mich „stimmigen Kontakt“ getauft habe. Nun ist es für die meisten Menschen schwierig, mit mehr als ein paar wenigen Menschen gleichzeitig in stimmigem Kontakt zu bleiben. Deshalb halte ich es auch für wichtig, sich in indirektem stimmigen Kontakt zu üben, bei dem anhand der Reaktionen derer, mit denen man in direktem stimmigen Kontakt ist, auf andere geschlossen werden kann.
Ich helfe Menschen, in stimmigem Kontakt mit sich selbst und anderen zu kommen, damit sie in ihrem jeweiligen sozialen Umfeld im Sinne aller Entscheidungen treffen und Abläufe entwerfen können.
Die Antwort auf das Wie ist auf der Startseite sowie auf der 2. Seite nach der Startseite zu finden.
Was: Ich treffe mich mit Menschen 1:1 und bin zusätzlich mittel- bis langfristig mit ihnen im laufenden schriftlichen Kontakt. Außerdem gibt es noch ein Archiv von Blog-Beiträgen zum Thema sowie eine kleine Community mit anderen Interessierten, die als Ressource zur Verfügung steht.
Würde ich jemanden neu kennenlernen und nur eine Minute Zeit haben ihm zu erklären worum es mir geht, was könnte er mit der Antwort auf die Was-Frage anfangen? Sie macht in Kombination mit dem Rest schon ihren Sinn, aber der Rest ist nach einem derart langweiligen Was schon gar nicht mehr interessant. Die Antwort auf Warum-Fragen kann jedoch Lust auf mehr machen.
Warum funktioniert das Warum?
Wenn wir annehmen, dass es sehr hilfreich sein kann, mit dem Warum zu starten, entsteht für mich eine interessante Folge-Frage: Warum funktioniert es eigentlich so gut, mit dem Warum zu beginnen?
Die Antwort liegt meiner Ansicht nach darin, dass die Antworten auf diese Fragen einer impliziten Hierarchie unterliegen. Diese Hierarchie ermöglicht es, unterschiedliche Sichtweisen auf einer darunterliegenden Ebene über aus der übergeordneten Ebene abgeleitete Kriterien aufzulösen. Das klingt jetzt sehr kompliziert, deswegen ein Beispiel:
Ein neuer Lehrer kommt in ein bestehendes Kollegium. Frisch von der pädagogischen Hochschule gekommen, ist er motiviert, alles neu und besser zu machen, und eckt prompt an den bestehenden Strukturen an damit. „Wir machen das anders hier“, bekommt er zu hören, und rasch entsteht ein Konflikt über das Was des pädagogischen Tuns. Bleiben wir auf der Ebene des Was, so steht Meinung gegen Meinung. Begeben wir uns jedoch eine Ebene höher, auf das Wie, so finden wir vielleicht einen übergeordneten Zugang, auf den sich die Konfliktparteien einigen können. Wird dies vollbracht, so können die unterschiedlichen Zugänge zur Umsetzung des Wie durch vom übergeordneten Wie abgeleiteten Kriterien objektiver beurteilt werden.
Angenommen, der neue Kollege und das bestehende Kollegium einigen sich darauf, dass es wichtig ist, dass sich die Schüler als Individuum gesehen fühlen. Danach können sie gemeinsam beurteilen, ob ihre unterschiedlichen Ansätze, den Unterricht zu gestalten, diesem Kriterium mehr oder weniger gut entsprechen. Möglicherweise wird dann etwa sichtbar, dass beide Ansätze, der alte wie der neue, dem Kriterium gut entsprechen und damit auch gut nebeneinander existieren können.
Zugehörigkeit durch ein gemeinsames Warum
Aus dem Handeln eines Menschen ist oft nicht klar ersichtlich, was seine Beweggründe für dieses Handeln sind. In der Folge bewerten wir sein Handeln basierend auf den Annahmen, die wir treffen. Wenn das Handeln des anderen unserem Warum zuwiderläuft (oder wir es annehmen), so wird die handelnde Person als nicht unserer Gruppe zugehörig empfunden, wird zum Gegenspieler.
Mit dieser Erkenntnis ausgestattet, müsste es doch eigentlich sehr einfach sein, stattdessen einfach mit dem Warum zu beginnen, und so eine gemeinsame Basis in einem Team herzustellen. Dies ist durchaus auch möglich, aber einfach ist es nicht. Der Grund dafür liegt für mich darin, dass nur wenigen Menschen klar ist, warum sie tun, was sie tun. Klingt unglaublich, aber dürfte nach meinen Beobachtungen durchaus der Realität entsprechen.
Ich selbst, der ich doch – soweit ich das beurteilen kann – vergleichsweise sehr viel Zeit damit verbringe nachzudenken, zu reflektieren, zu lesen, zu schreiben, kämpfe nun seit gut 1,5 Jahren mit dieser Fragestellung. Mittlerweile bin ich auch so halbwegs zufrieden mit meiner Antwort, vor allem weil sie – anders als vor 2-3 Monaten – nicht mehr mehrere A4-Seiten benötigt, um erklärt zu werden.
Warum bin ich Lehrer? Direktor? Warum bin ich Teamleiter? Warum habe ich dieses Unternehmen gegründet? Diesen Sozialverein? Wenn es mir gelingt, diese Frage für mich zu beantworten, so erleichtere ich es damit anderen herauszufinden ob sie sich mit dieser Antwort ebenso identifizieren können. Können sie es nicht und handelt es sich nicht nur um ein Missverständnis in Worten und Deutungen, so wird eine Zusammenarbeit auf Dauer kaum fruchtbar sein. Ist aber eine grundsätzliche Übereinstimmung im Warum gegeben, so können unterschiedliche Meinungen über das Wie oder ein weit unwichtigeres Was befruchtend für Innovationen sein.
Die meisten von uns nehmen an, dass die Antwort auf diese Fragen ohnehin so klar ist, dass sie es nicht wert ist, gestellt zu werden. Was dazu führt dass wir uns so häufig missverstehen, weil wir – unhinterfragt – annehmen, dass ein jeder von uns zu der gleichen Antwort kommen muss. Damit beschränken wir jedoch auch implizit unsere Möglichkeiten des Miteinanders.
Lässt sich ein gemeinsames Warum auch herstellen?
Laut Simon Sinek ist das Gefühl, von Menschen mit ähnlichen Wertvorstellungen umgeben zu sein, essentiell für ein gegenseitiges Vertrauen und der Bereitschaft, auch Neues auszuprobieren – und seine Ausführungen machen meiner Ansicht nach auch durchaus Sinn.
Wirklich interessant ist jedoch die Kombination mit seinem Konzept vom Goldenen Kreis, weil es bedeuten würde, dass wir sehr oft von Menschen mit ähnlichen Wertvorstellungen umgeben sind, es aber nicht erkennen können, weil wir über das Was statt über das Warum sprechen. Beispielsweise gehe ich (optimistischerweise) davon aus, dass die meisten Menschen, die von Beruf Lehrer sind, sich mit meinem Warum, Menschen zu helfen aufzublühen, identifizieren können. Die wenigsten würden wohl von sich behaupten, sie wären Lehrer geworden, um zu verhindern, dass Menschen das Beste aus ihren Anlagen und Chancen machen. Aus ihren Handlungen (Was) alleine ist dies aber nicht immer eindeutig zu erkennen.
Eine Hierarchie-Ebene darunter, beim Wie, werden viele Lehrer schon nicht mehr mit mir einig sein. Vielleicht noch damit, dass es Menschen gut tut, gesehen zu werden, aber dass dies einen stimmigen Kontakt voraussetzt, da wird es wohl schon problematischer. Weniger noch bei der Frage ob dies wünschenswert sei, sondern eher bei der Frage der praktischen Umsetzbarkeit: Das wäre schön und sinnvoll, aber wer soll das leisten?
Und spätestens beim Was lässt sich dann trefflich darüber streiten was denn nun die schlauesten Umsetzungen von all dem darstellt.
Und noch eine Ebene darüber
Das Konzept von Warum, Wie und Was als Hierarchie-Ebenen lässt sich in beide Richtungen weiterführen. So basiert etwa mein Warum, Menschen helfen aufzublühen, auf der stillschweigenden Annahme und meinem Weltbild (= Vorstellung, wie diese Welt funktioniert, noch ohne Wertung), dass in Menschen Potential angelegt ist, das mit Hilfe einer konstruktiven Umwelt inneres und äußeres Wachstum ermöglicht. Jemand anderer basiert sein Warum vielleicht auf dem Weltbild, dass der Mensch ein leeres Gefäß ist, das von außen „befüllt“ werden muss, und wird zu anderen Schlüssen kommen. Der Fantasie sind damit kaum Grenzen gesetzt, das Konzept weiterzuführen. Mit der Hierarchie von Warum, Wie und Was kann man jedoch schonmal viel erreichen.
Viel Freude damit!
Niklas