Diesen Dienstag durfte ich die Privatschule Moos in Vorchdorf besuchen, kam dann leider gleich eine halbe Stunde zu spät, weil die aus dem Internet abgezeichnete Karte der verwaldeten Wirklichkeit kaum entsprach. Die Schule liegt inmitten eines kleinen Waldstücks und ist dementsprechend zwar nicht allzu offensichtlich angeschrieben (und damit leicht zu finden), dafür aber auch weit abseits jeglichen Verkehrs, was den sie umgebenden Wald sicherheitstechnisch sehr gut nutzbar macht.
Das Schulgebäude selbst wird gerade unter tatkräftiger Hilfe der Eltern und einiger Schüler, für die diese Bauarbeiten natürlich unglaublich interessant sind, gerade ausgebaut, was bedeutet, dass ein konzentriertes Arbeiten oder eine Tagesplanung gerade kaum möglich sind, weil ein ständiges Aus und Ein der Arbeitenden herrscht und jegliche Pläne dadurch schwer umzusetzen sind. Der Schulalltag wirkt aber ohnehin nicht sehr durchorganisiert, den Kindern werden grosse Freiheiten gewährt. Es wird jedoch auch überlegt, in ein von der Gemeinde erhaltendes Schulgebäude umzuziehen, weil die Schule dann (es gibt da angeblich eine Liste an Anforderungen) auch öffentlich finanziert werden kann. Ich würde es jedoch schade finden, weil die Lage im Wald pädagogisch gesehen genial ist.
Keine Ghetto-Kinder
Im Grossen und Ganzen funktioniert der Schulalltag, soweit ich das verstanden habe, so, dass die Kinder eben morgens herkommen und sich selbst eine Arbeit suchen, die BetreuerInnen bereiten auch regelmässig bestimmte Aktivitäten vor, um neue Impulse zu setzen, weil Freiheit ohne entsprechende Möglichkeiten einen bitteren Beigeschmack hat. Wer sich selbst keine Alternativen findet, arbeitet eben nach den Vorschlägen der Betreuer, einzig Nichtstun und Herumsumpern wird ungern gesehen. Immer wieder gibt es auch gewisse Aktivitäten, bei denen alle Kinder aus organisatorischen und sicherheitstechnischen Gründen gemeinsam teilzunehmen haben, so etwa an jenem Tag ein gemeinsamer Besuch im Wald, um Herbstmaterialien für Basteleien zu sammeln.
Es ist eine freie Schule, in denen Kindern viele Freiheiten gewährt werden, aber es werden gleichzeitig auch Erwartungen an sie gestellt. Sie sollen beispielsweise spätestens bis zum vierten Jahr das Lesen und Schreiben erlernen. Die Betreuerin, mit der ich gesprochen habe, hat es, wie ich finde, sehr einleuchtend erklärt, wenn sie sagt, es gelte, der Gefahr entgegenzuwirken, die Kinder in einem geschützten, von der Welt getrennten Bereich zu belassen, nur um sie dann von einem Tag auf den anderen unvorbereitet in die ungeschützte Welt zu entlassen, wo unweigerlich Grenzen und auch Misserfolge zu ihrem Leben gehören werden. Es geht nicht um die Namen von Frühlingsblumen, sondern um praktische Lebenstüchtigkeit und Selbstständigkeit.
Unter Freunden
Grundsätzlich dürfte das Betreuungsverhältnis zwischen Betreuern und Schülern ein anderes sein als in Regelschulen, sowohl in der Schola in Linz, die ich am Montag besuchte, als auch hier kamen auf eine Betreuerin unter zehn Kinder, was es vermutlich leichter macht, die freundschaftlichen, fast familiären Beziehungen zwischen ihnen aufrechtzuerhalten. Es ist ein sehr entspanntes Verhältnis, das Konflikte kennt und lösen kann, aber durch den Wegfall der Notengebung nicht auf einem formellen Macht-über-Verhältnis aufbaut sondern eher auf einer Form natürlicher, durch Erfahrungsvorsprung akzeptierter, Autorität.
Während ich in vielen Schulen beobachten konnte, dass die Lehrkräfte Kooperation zwischen Schülern möglichst unterbinden, vor allem natürlich bei den allgemeinen Tests und Schularbeiten, arbeiten die Schüler hier je nach Schwierigkeit des zu bearbeitenden Problems und ihren Vorlieben alleine oder in der Gruppe, unterbrechen ihre Arbeit immer wieder, um einige Worte auszutauschen, bevor es weitergeht, arbeiten aber dann wieder an der von ihnen gewählten Aufgabe weiter. Wenn gesprochen wird, während andere arbeiten, dann im Flüsterton, wobei auffällt, dass auch die Betreuerin flüstert und damit ein lebendes Vorbild für die Kinder abgibt, anstatt es nur von Kindern zu verlangen, wie ich es auch schon an einigen Schulen erlebt habe.
Ein Vorteil individuell gewählter Arbeit, der wohl oft unterschätzt wird, ist es auch, dass durch die unterschiedlichen Arbeitstempos der Kinder diese auch zu unterschiedlichen Zeiten fertig werden (und sich auch selbstständig oft weitere Arbeit suchen), was bedeutet, dass es relativ selten vorkommt, dass alle Kinder zur gleichen Zeit die Betreuerin benötigen und sie dadurch individuell auf ihre Bedürfnisse eingehen kann und nur selten längere „Warteschlangen“ entstehen.
Auf Jobsuche?
Leider ist die Schule aufgrund ihres Standortes sehr weit von meiner Wohnung in Linz entfernt, ansonsten hätte ich gerne dort mitgearbeitet, denn zumindest tage- oder stundenweise werden derzeit zusätzliche Betreuer gesucht. Wer Interesse daran hat, in einer Traumschule mitzuarbeiten, möge sich dort melden und persönlich vorbeischauen, entsprechende Kontaktmöglichkeiten findet ihr auf ihrer Homepage. Rechnet aber lieber mit längeren Anfahrtszeiten beim ersten Mal, sie ist wirklich ziemlich versteckt…
Wer Interesse dabei hat, an einem sehr zukunftsweisenden Initiative aktiv mitzuarbeiten und entsprechend mobil ist, sollte sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, hier zumindest hineinzuschnuppern. Inmitten einer verkrusteten Bildungslandschaft wächst hier im Moos nämlich tatsächlich Zukunftsträchtiges.
Niklas