Jessica Dreyer@TedXLinz: Spielplatz-Sammelkarten zum Freunde sammeln

Einsamkeit am Kinderspielplatz, und wie man sie vermindern kann, in dem man den natürlichen Sammel-Trieb von Kindern konstruktiv einsetzt.

Am 12.10. war ich mit meiner Lebensgefährtin zum ersten Mal bei TedXLinz live dabei. Ich war schon Jahre vorher ein begeisterter TedX-Fan, und einer meiner großen Träume war es immer schon, einst selbst mal auf so einer Bühne zu stehen. Warum also nicht mal live ansehen? Ein Vortrag ist mir ganz besonders hängen geblieben: Die Vortragende war Jessica Dreyer aus Dänemark, und es ging um Einsamkeit am Kinderspielplatz bzw. wie man sie vermindern kann.

Seit 3.12. ist das Original-TedTalk auch auf YouTube zu finden – Anschauen lohnt sich:

 

Warum Einsamkeit am Kinderspielplatz ein Problem ist

Jessica eröffente ihren Vortrag mit emotional mitreißenden Geschichten vom Kinderspielplatz, und wie es Kindern ergeht, die im Laufe der Zeit immer mehr im Glauben gefangen sind, dass wirklich niemand mit ihnen spielen will. Was diese Kinder mit der Zeit alles riskieren, nur um Teil von etwas Größerem zu sein (ein Beispiel: anstatt „darf ich mit Ball spielen“ zu sagen „darf ich der Ball sein, nach dem ihr tretet“). Sie zeichnete ein Bild davon, welche Auswirkungen die Erfahrungen in jungen Jahren auf dem Kinderspielplatz auch auf das spätere Erwachsenenleben haben.

Natürlich betrifft dieses Problem nicht alle Kinder. Viele scheinen auf ganz natürlichem Wege soziale Kontakte pflegen zu können und einen Freundeskreis aufzubauen. Aber was ist mit denen, die das nicht von selbst schaffen? Haben diese dann einfach Pech gehabt – mit allen negativen Konsequenzen für ihr gesamtes weiteres Leben?

Und dann stellte sie ihre einfache wie brillante Lösung vor.

Freunde sammeln – und zwar wortwörtlich

Jessica erzählte, dass ihr aufgefallen war, dass Kinder in jungem Alter unglaublich gerne sammeln. Seien es Pokemon-Karten, Steine, Blumen, Lego, was auch immer. Was, wenn man diesen „Sammel-Trieb“, der offenbar in den meisten Kindern angelegt ist, konstruktiv nutzen kann, um die Auswirkungen der Einsamkeit am Kinderspielplatz abzumildern, bzw. diese gar nicht erst in dieser Intensität entstehen zu lassen?

Also entschloss sie sich, die SchülerInnen ihrer Klasse in eine Art von physisches „Sammelkarten-Set“ zu übertragen. Jede Karte beinhaltet den Namen der SchülerIn, ein Bild von ihr/ihm und einige Eigenschaften (z.B. Vorlieben etc.). Jedes Kind bekommt so viele Karten von sich selbst, wie es Kinder in der Klasse gibt. Wer in einer Schulpause eine Weile mit jemand anderem gespielt hat, kann seine Karte mit der Karte des Gegenübers tauschen (aber nur, wenn beide wirklich das Gefühl haben, dass die Zeit miteinander für beide gut war).

Während die ohnehin beliebten SchülerInnen-Karten recht rasch verteilt sind, ist es bei den traditionell eher einzelgängerischen SchülerInnen tendenziell weniger der Fall. Diese Karten sind schwerer zu bekommen, da es womöglich ein Stück weit auch Überwindung braucht, miteinander zu spielen. Aber weil es den Kindern keine neuen Karten bringt, wenn sie immer mit den selben Kindern spielen, müssen sie, um ihr „Set“ fertig zu bekommen, auch mit den „seltenen“ Kindern spielen, um ihre ebenfalls „seltenen“ Kinder-Karten zu bekommen.

Das geniale an der Idee ist für mich die Umdeutung von „hat keine Freunde“ (negativ besetzt) zu „selten“ (positiv besetzt), die den natürlichen Sammeltrieb der Kinder für etwas Konstruktives einsetzt.

Wie komme ich zu solchen Karten?

Jessica war so nett, gemeinsam mit ihrem Bruder die Website playground.cards ins Leben zu rufen, auf der die Idee (auf Englisch) erklärt wird und auf der sogar selbst Karten erstellt werden können.

Ich habs nicht selbst ausprobiert, und im Grunde geht es mir gar nicht so sehr um die konkrete Ausgestaltung der Karten oder der Regeln. Aber ich fand es ein beeindruckendes Beispiel dafür, wie man mit kleinen Änderungen in Sozialen Systemen beeindruckende Wirkungen erzielen kann.

Viel Freude beim Experimentieren mit der Idee! 🙂

Portrait Niklas Baumgärtler

Niklas Baumgärtler

Niklas Baumgärtler interessiert sich für die Kunst der Begeisterung und macht gerne Wechsel- und Hebelwirkungen in Sozialen Systemen sicht- und erlebbar. Mehr über Niklas Baumgärtler...

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