Es ist keine besondere Fähigkeit, die ihn auszeichnet, eher der Mangel an einer Fähigkeit, die unsere Zeiten so definiert wie kaum eine andere: der Fähigkeit, all die Menschen um uns auszublenden und uns auf das Wesentliche zu konzentrieren. Der Mensch mit dem gedankenverlorenen Blick vor uns mag ein Genie sein, doch er blockiert uns den Weg zu unserer Kekspackung, und alles Weitere ist für uns in diesem Moment uninteressant. Wenn er nicht den Anstand besitzt, in Anbetracht unseres konzentrierten Blicks sofort zur Seite zu weichen, so wird er eben aus dem Weg geräumt. Immerhin schließt der Supermarkt in einigen Minuten, und man hat ja noch viel zu tun. Was ist daran so schwierig zu verstehen?
Man muss immerhin noch die Tiefkühlpizza in den Ofen schieben, sich die letzten YouTube-Videos reinziehen und seinen Status auf Facebook mit einigen Links aufwerten, die man geteilt hat. Irgendwelche Hilfsaufrufe für humane Projekte in Ländern, deren Namen man kaum aussprechen kann, funktionieren immer. Solche Dinge bringen Likes, und die Anzahl an Likes ist die Währung der modernen Zeit. Wer will nicht gemocht, wer möchte nicht von Hunderten, Tausenden geliebt werden? Nur diesem einen jungen Mann fehlt wohl jegliches Feingefühl für das, was der gebildete moderne Liebhaber von Anglizismen gerne als „Networking“ bezeichnet. Hat wohl eine der sogenannten „freien Schulen“ besucht, in denen die das völlig falsch verstanden haben mit der sozialen Kompetenz, und haben das mit den alten Gesprächen verwechselt.
Dieser eine retardierte Kauz ist es also, der nicht nur die Geduld zu besitzen scheint, darauf zu warten, dass andere Menschen im Supermarkt mit ihren Einkäufen fertig werden und von selbst den Weg frei machen. Nein, er besitzt auch noch die Unverschämtheit, mit Menschen, die er gar nicht kennt, zu sprechen, ohne ihnen zuerst eine Facebook-Freundschaftsanfrage geschickt zu haben! Niemand kann sich auf solch ein Gespräch vorbereiten, man weiß nicht, wo er herkommt, was er arbeitet und wer seine Freunde sind. Tatsächlich gibt es so viel, dass man über ihn nicht wissen kann, dass es ein fast unübersehbares Risiko ist, auf seine offensichtlichen Gesprächs-Anfragen einzugehen. Man könnte in einem solchen Gespräch tatsächlich Dinge erfahren, die man gar nicht hören wollte!
Wie wir mehr oder weniger normalen Menschen wissen, ist es natürlich Quatsch, zu erwarten, dass in einer solch unsicheren Situation tatsächlich jemand auf eine Gesprächs-Anfrage positiv antworten wird. Wer jedoch jetzt davon ausgegangen ist, dass dieser Junge lernfähig sei, der irrt gewaltig. Während die meisten Abweichler schnell erkennen, dass sich die Zeiten lang geändert haben und dass es doch eigentlich nur Vorteile bietet, alles über einen Menschen wissen zu können, ohne ihn jemals treffen zu müssen, spricht dieser Mann einfach munter weiter Menschen an. Fast, als würde er tatsächlich Freude daran haben.
Hin und wieder gelingt es dem Gesprächs-Terroristen auch noch tatsächlich, vor allem ältere Damen und Herren, die nicht mehr rüstig genug sind, ihm zu entfliehen, in seine Gespräche zu verwickeln. Diese werden sodann oftmals selbst zu gefährlichen Gesprächspartnern, die sich jedoch meist durch ihr freundliches Lächeln schon von fern verraten. Welcher normale Mensch würde schon einen Fremden anlächeln? Machen Sie einen großen Bogen um diese Mitbürger, werte Mitstreiter für einen effizienten Alltag – der Junge könnte ansteckend sein. Und versuchen Sie auf keinen Fall, etwas über seine Beweggründe herauszufinden – damit laufen Sie nur in seine Falle!
Der Verein für Gesprächssicherheit im Alltag warnt ausdrücklich vor diesem jungen Mann mit dem freundlichen Lächeln, das schon so vielen zum Verhängnis wurde, als er die wehrlosen Opfer ungefragt und auf offener Straße in Gespräche verwickelte. Da der Täter darauf verzichtet hat, ein Online-Profil anzulegen, wissen wir kaum etwas über ihn und können Ihnen auch keine Personenbeschreibung oder gar Umgehungs-App anbieten, doch versuchen Sie, verdächtigen Personen fernzubleiben, wenn Ihnen ihre effiziente und störungsfreie Alltagsgestaltung ebenso wichtig ist wie uns.
Ihr Verein der Freunde des störungsfreien Alltags
Diese Geschichte als .pdf herunterladen